Ond wenn's emol scho oober ist
Ond off den Alpe grüe,
De Gässbueb mit de Gäässe zückt
Ond d Senneri mt de Chüe.
Die Bömmli sönd vom Laub schö grüe
Ond d Wese vo dem Gras,
Ond wenn i zu der Senneri chomm,
So isch mer e lenger e bas.
"Was isch, dass du so trurig bist
Ond au nüd lache magst?
I gsieh der's a den Augen a,
Dass du geweinet hast."
"Hab ich geweinet oder nüd,
Was fragst denn du danach!
Wenn dir en anderi lieber ist,
So lauf ere selber nach!"
"Bin i nüd en lostige Schwizerbueb,
Bin i nüd en lostige Bueb?
I leggen e roti Westen a
Ond laufe de Chilbi zue!"
"I säg der nüd ab ond säg der nüd zue,
Mer wend's gad blibe loh;
En anderi Frau Mueter het au e liebs Chind
Das mi brav liebe tuet."
(Der Appenzeller Spinibueb)
Von diesem in der Schweiz vielgesungenen Liede gibt es zwei Haupttypen. Der eine, den den steirischen oder tirolischen Ursprung nicht verleugnet, hat den Anfang: "Im Summer, wenn's aaber ist", und ist für die Kantone Graubünden (Niederschrift von Dr. Rennefahrt und vollständiger von Hrn. J. R. Schnewlin), Appenzell (A. Tobler) und Luzern (Gassmann) bezeugt. Der andere, mit dem Eingangsvers "Und wenn's doch nur einmal Summer wär" oder "O wenn's doch" usw. ist mehrfach für den Kt. Bern nachgewiesen, in der originellsten Form jedoch für den Kt. Appenzell: "Ond wenn's emol scho oober ist" (unsere Wiedergabe aus A. Tobler). Gemeinsam ist all diesen Liedern das Motiv des Kiltbesuchs bei der Sennerin, den miesten auch die schnippische Antwort des Mädchens:
"I säg dr nit ab und i säg dr nit zue, Mer wend's grad blibe lah."
Unsere Fassung, ausgezeichnet durch reine appenzellische Mundart, verwendet überdies in Strophe 3 und 4 den Anfang eines auch sonst bekannten Liedes ("Mein Schatz, warum so traurig") und in Strophe 5 den Anfang des bekannten "Schwyzerbueb" (A. Tobler, Sang und Klang aus Appenzell)
"Spinibueb" bedeutet Kiltbueb (Freier); "oober" (aaber) = schneefrei
Quelle: Im Röseligarte, Schweizerische Volkslieder