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I de Flüehne isch mis Läbe

I de Flüehne isch mis Läbe,
Un im Tal tuen i kei Guet.
Andri wehre mir's vergäbe:
"Gang doch nit! 's isch Gfahr um 's Läbe."
O ihr guete, liebe Lüt,
Eues Säge nützt hie nüt!

Früj am Tag, we d Stärne schine,
Stahn ig uf u gah uf d Jagd.
Nu, mis Wib u mini Chline,
Müesst nit um en Ätti grine!
Üse Herrget isch dert oh;
Dr Ätti wird scho umhi cho.

Wo-n-es alle Möntsche gruset,
Wo kei andre düre cha,
Under mir ds Waldwasser bruset,
Gletscherluft dur ds Haar mir suset,
Obe, -n-unde, z'ringsum Flueh,
Gahn i früsch u fröhlich zue.

Dört wo hinter äine Grinde
Üse grosse Gletscher steit,
Wo die frächste Chüeh erwinde,
D Geisse chuum der Wäg no finde,
Het der Winter ohni Änd
Geng si Thron, sis Regimänt.

Aber wä'-n-er no so chalte,
U der Gletscher no so wild
U no drümal ärger gspalte,
Alles ma mi nit abhalte.
Wenn i dört es Gemschi weiss,
Ist mir seligs alles eis.

Wahr ist, mänge fallt da abe,
D Ewigkeit erdrohlet är
U lit tief im Isch vergrabe.
O, wie luegt sis Wib am Abe:
"Chunnt er ächt?" Lueg wie de witt,
Leider Gott! er chunnt dir nit.

Tröst du di! Er lit da unde
Sauft so guet as ime Grab.
Üse Herrget het ne funde
U biwahret ne da unde
I däm tiefe Gletscherschrund,
Bis der jüngsti Tag de chunnt.

Wenn a däm Tag früj de d Sunne
Strahlt in ihrer Herrlikeit,
Isch der Gletscher glih zerrunne.
De het's Hans glatt alles gwunne!
Grin du nit! Ihr wärdet scho
Dört no einisch z'säme cho.

Über das Lied

(Der Gemsjäger)
Von Gottlieb Jakob Kuhn, zum ersten Mal in seinen "Volksliedern", 2. Ausgabe. Bern 1319. Nach H. Stickelberger (Der Volksdichter G. J. Kuhn, Bern 1909) ist das Lied schon im August 1805 zu Sigriswil, wo Kuhn bis 1806 Vikar war, entstanden. Die Melodie, von Ferd. Huber, bei Wyss Nr. 20.

Str. 4, Grinde: Felshäupter, erwinde: eigentlich sich umwenden, zurückkehren, nicht weiter können.

Quelle: Im Röseligarte, Schweizerische Volkslieder